Clubhouse – Aristokratisch
Was macht uns besonders? Genauer, was macht uns junge Menschen besonders? Wie heben wir uns als einzelne von der Masse ab? Wie lässt sich unterscheiden zwischen den Anywheres, die sich überall ein- und zurechtfinden und den Somewheres, die sich verlieren, in all dem, was Neues kommt und lieber beim Alten bleiben? Eigentlich haben wir dafür den einfachsten aller Wege genommen. Wir erstellen uns, uns. Wir basteln an einem neuen Ich. Einem digitalen Ich. Eine Persönlichkeit weit weg genug, um neu und einzigartig zu sein, aber doch nah genug an uns selbst, um wiedererkannt zu werden. Sie ist schön, die Welt des Schaffens. Wir verbringen viel Zeit in Ihr und wenn wir gerade einmal von Ihr getrennt sind, kreisen unsere Gedanken dennoch um Sie herum. In unserem Unterbewusstsein ist Sie omnipräsent. Doch wenn wir uns abgrenzen? Wenn wir ausgrenzen? Was, wenn die Welt des Schaffens exklusiv wird. Zu einem Instrument von Anywheres für Anywheres. Genau diese Dystopie scheint Clubhouse gerade zu errichten.
Drei Bedingungen müssen von Usern vor dem Teilnehmen erfüllt werden:
Zuerst einmal: das System. Jede*r, der nicht genug Geld hat oder nicht bereit ist, die nötige Anzahl an Moneten für ein Mobiltelefon der Marke Apple auszugeben, kann es vergessen, morgens um 9.00 den ZEIT Online Redaktionstalk anzuhören. Womit wir in Deutschland schon einmal fast 71% aussortiert hätten (Statista). Zusätzlich fallen, ganz am Rande bemerkt Menschen ohne Internet (11,9 %), meist mit einem Einkommen von unter 1.000 € im Monat, komplett raus.
Weiter wird die Einladung benötigt. Eine Einladung, welche stark von Herkunft, Alter, Wohnort und Freundeskreis abhängt. Dadurch, dass jede*r jeweils nur eine begrenzte Anzahl neue Freunde einladen darf, bleiben sie etwas Besonderes. Manch ein findiger Mathematiker mag nun vielleicht mit exponentiellem Wachstum argumentieren, in der Realität bleiben die begehrten Links meist jedoch in einem ganz bestimmten, privilegierten Klientel.
Und der letzte Grund für die Ausgrenzung betrifft die Nutzung. Clubhouse befindet sich von der Flexibilität auf einem Niveau mit linearem TV-Programm. Das Besondere am heutigen Medienkonsum ist, dass wir ihn uns selbst einteilen können und so jeder mitmachen kann. Es gibt keine Sendepause auf Instagram und das Fernsehen lebt schon länger von der Mediathek. Allerdings wird es Menschen mit nine-to-five Jobs schwerfallen, sich um 12:00 den Büchertalk von Mona Ameziane anzuhören und sich um 16.00 Uhr an der Anti-Rassismus Debatte mit Dunja Hayali zu beteiligen.
In dem neuen Sozialen Netzwerk Clubhouse lassen sich Räume erstellen, in denen dann auf einem virtuellen Podium diskutiert wird. Ein Moderator kann Leute zwischen Manege und Publikum hin und her bugsieren.
Ein jeder von uns blickt in die Vereinigten Staaten von Amerika, und so viele beteuern ihre aufrichtige Sorge um ein inzwischen so tief gespaltenes Land. Ein Land mit Grenzen zwischen arm und reich, schwarz und weiß, Imformatiker*innen
und Obdachlosen, Texas und Kalifornien. Ein Land mit einer Mauer Richtung Armut. Doch das viele dieser Grenzen auch in Deutschland bereits gezogen werden, ist dabei den wenigsten bewusst.
Durch die Grundvoraussetzungen kann sich auf Clubhouse nicht jede*r beteiligen, nicht jede*r ist mit einem einfachen Wink in dem Talk und nicht jede*r kann aufs Podium geholt werden. Dadurch bedient Clubhouse einen ganz bestimmten Kundenstamm. Ein Kundenstamm, der Gespräche mit „Ich esse ja kein Fleisch mehr“ beginnt, mit Chai Latte und MacBook im Starbucks arbeitet und sich mit Fjäll Räven akzentuiert. Einen Kundenstamm, der Rassismus als Problem anerkennt, aber auch unsere Gesellschaft nicht widerspiegelt. Ein Stück weit sind wir die Junker des 21. Jahrhunderts. Junker aus dem 19. Jahrhundert waren aus dem Adelsstand, aber ohne Ritterschlag. Da ihnen das meiste Land in Ostelbien gehörte, war ihr Einfluss bis zum 2. Weltkrieg enorm. Allerdings galten sie auch als selbstsüchtig und feige, weshalb sie vom Volk auch abwertend „Krautjunker“ genannt wurden. Leider fällt das Thema der Minderheiten zu selten auf, weil gerade in Talks zum Thema Migration auch immer Vertreter der Randgruppe zu Wort kommen. Allerdings sind es immer bekannte Persönlichkeiten, die „es geschafft haben“ und „dabei sind“. Diese Leute haben meist Geschichten zu erzählen, oft mit Gesellschaftskritik und einer wichtigen Aussage, jedoch nichts zu berichten. Auch erhöhen sie nicht den Anteil an Minoritäten auf der Plattform.
(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin[FF1] .
(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.
GG Art. 3
Im Internet beginnt sich eine neue Art von Diskriminierung breit zu machen, eine Diskriminierung, die auch aufgrund der Heimat und der Herkunft ausbreitet. Ganz offensichtlich werden hier Menschen benachteiligt und zu einem gewissen Teil kann auch die gesellschaftliche Teilhabe nicht mehr für alle garantiert werden. Das Internet wurde als freier Ort geboren und muss auch genau dieser bleiben. Jede*r muss in Zukunft das Recht haben, das Internet und die sozialen Medien in voller Breite zu nutzen, als auch das Recht haben, es abzulehnen, ohne dadurch benachteiligt zu werden.
In dem Wissen, dass dieser Artikel wohl die Falschen erreicht,
Felix Fuchs.
Ein Gastbeitrag von Felix Fuchs (KV Böblingen)