Der öffentliche Raum als Kulturrecht für alle – Warum Kulturpolitik wichtig für die jungsozialistische Arbeit ist
Ein Gastbeitrag von Valery Keuter (KV Freiburg)
Seit dem Tod von Queen Elisabeth II. geht es im Netz sowie in der Öffentlichkeit auch um die Kulturgüter, die das britische Königreich über die Kolonialzeit hinweg, während Queen Elisabeths Regentschaft aus beispielsweise Kenia, Nigeria oder Indien geraubt haben.
Auch, wenn es auf dem ersten Blick nicht nach einem Thema aussieht, worum sich die deutsche Kulturpolitik beschäftigen müsse, muss auch diese die gesellschaftliche Diskussion über die Rückgabe von Raubgütern aus der Kolonialzeiten beinhalten. Die Kulturpolitik war über viele historische Ereignisse hinweg ein instrumentalisiertes Mittel. Welche Folgen und Gefahren das über die Zeit mit sich trug, zeigt u.a. die deutsche Geschichte.[1] Umso wichtiger ist es, dass z.B. auch eine Aufarbeitung der deutschen Kolonialzeit in der Kultur durch die Rückgabe der Kulturgüter stattfindet.[2]
Aber was konkret beinhaltet Kulturpolitik und wie kann eigentlich eine jungsozialistische Perspektive darauf aussehen?
Kulturpolitik ist Sozialpolitik
Was viele vergessen, Kulturpolitik beginnt mit Bildungspolitik. Eine jungsozialistische Perspektive darauf ist, dass durch Kultur und das Ermöglichen von Kultur auch Bildung geschaffen werden kann.
Kulturpolitik kann aber noch mehr in die Sozialpolitik hineinstreuen. Ein essenzieller Aspekt, der nicht oft genug gefördert wird.
Prinzipiell bedeutet Kulturpolitik, dass wenn sie nicht nur als Nische, sondern eben gesellschaftlich gedacht wird, sie viel Einfluss auf unser Leben haben kann. Es kann Themen der Gesellschaft in der Gegenwart sowie der Zukunft erfragen und kann einen Raum schaffen, um etablierte oder bestehende Strukturen zu hinterfragen.
Kulturpolitik, wie viele denken, beschäftigt sich nicht nur um die öffentliche Finanzierung von Stadttheatern oder Opern. Es behandelt viel mehr als das. Jedoch wird die Kultur in großen Teilen aus privatwirtschaftlich Mitteln finanziert, außer es handelt sich um Stadttheater oder städtische Einrichtungen.[3]
Die Folge ist, dass die Kulturlandschaft mehrheitlich nur privatwirtschaftlich unterhalten wird, weil es anders einfach nicht geht (Stichwort: Fehlen von öffentlichen finanziellen Mitteln). Nichtsdestotrotz darf Kulturpolitik nicht nur als privatwirtschaftlicher Akteur betrachtet werden. Die Gefahr, dass so die kulturelle Bildung und damit Raum für Reflexion wegfällt, ist leider groß.[4]
Aus diesem Grund muss u.a. die Rückgabe der Raubgüter weiterhin ein gesellschaftliches Thema bleiben um die Relevanz darum, sowie der kulturellen Bildung beizubehalten.[5]
Die Kulturpolitik kann vieles
Kultur kann einen Raum bieten für die plurale Gesellschaft, um gesellschaftliche Themen ansprechen zu können, die nicht einfach zu beantworten sind. Themen, die nicht einfach kategorisierbar sind und es auch nicht sein sollten. Darüber hinaus kann Kultur Erinnerung schaffen, kann Strukturen und institutionelle Probleme hinterfragen – essenzielle Aspekte, die wir als Jusos mittragen und gemeinsam darum kämpfen.
Diese und weitere Ziele gelingen besonders, wenn die Kultur und damit auch der jeweilige Politikbereich dazu sich verändert. Die Kulturpolitik wartet schon lange darauf demokratisiert zu werden. Kultur darf nicht exklusiv oder elitär sein. Erst durch Mitbestimmung und durch Mitgestaltung der Kultur, schaffen wir, dass jede Person auch Zugang zur Kultur und Bildung erhält. Das beinhaltet auch, dass Kultur sich nicht nur weiß prägen darf. Insbesondere seit den sogenannten „Gastarbeiter*innen“ ist der Blick auf Kultur und dessen Entwicklung aus einer arroganten und exklusiv weißen Art geprägt, obwohl sie spätestens seitdem auch auf diverserer Art und Weise hätte entwickelt werden müssen.
Die Grenzen der aktuellen Kulturpolitik sind klar: Sie thematisiert leider nur zu selten das Erstreiten von der Mitnutzung und Mitgestaltung des öffentlichen Raums.
Zu oft ist die Kulturlandschaft von privatwirtschaftlichen Mittel oder sogar Spenden aus der Zivilgesellschaft abhängig. Besonders die kleinen Betriebe und Clubs existieren heutzutage nur noch durch private Spenden. Der Rückgang der öffentlichen Kulturräume ist nur ein Teil der ganzen Problematik, der durch die Pandemie öffentlich und für jede*n aufgezeigt wurde. Nicht nur erst über die Corona-Pandemie zeigte sich, wie prekär u.a. die Branche ist. Die Pandemie verstärkte diesen Effekt.
Kulturräume und die Kulturlandschaft benötigen Schutz vor Gentrifizierung.
Die grundsätzliche Frage, die sich in der Kulturpolitik aus jungsozialistischer Perspektive stellt, ist wie wir Kultur und den öffentlichen Raum partizipativer für alle gestalten können. Es geht um die Frage, wie sich Kultur jede*r leisten kann. Es geht darum, dass sich eine Person nicht mehr aus einer finanziellen Frage heraus, entscheiden muss zuhause zu bleiben, anstatt einen Club oder Museum zu besuchen. Es geht darum, dass Kulturschaffende und Personen, die in der Branche selbstständig arbeiten, sich nicht alle paar Monate als arbeitslos melden müssen.
Ein Lösungsbeispiel, auf das weiter aufgebaut werden kann, ist, dass Kultur und Bildung in der Schule zusammengedacht werden müssen. Arbeitsgruppen, an den Schüler*innen gemeinsam an Theater-, Filmprojekten oder ähnliches arbeiten, spielen dabei eine große Rolle. Sie fördern neben möglichen Stärken, wie z.B. die Kreativität oder das Lernen im Team, eben auch das Erlernen von Solidarität. Möglicherweise kann dadurch eine grundsätzliche Wertschätzung und Anerkennung für den breiten Kultur Bereich erlernt werden.[6]
Jungsozialistische Kulturpolitik
Nicht nur die Überlegung wie die Kultur finanziell für alle ermöglicht werden kann, ist eine jungsozialistische Überlegung. Auch die Kulturlandschaft und die Kulturinstitutionen selbst müssen sich strukturell ändern. Repräsentation und Partizipation in dem Kulturbereich kann einen Raum für Vielfalt und Empowerment schaffen und sollte dies auch insbesondere für BIPoCs und marginalisierte Gruppen werden. Die aktuelle Kulturpolitik sollte sich um eine solche Förderung viel mehr einsetzen.
Dazu stellt sich mir eine weitreichende Frage: Wie kann Kultur auch im ländlichen Raum ermöglicht werden? Die Clubs, die Museen, die Theater, die Musikläden sind besonders in Großstädten anzutreffen. Wie kann in ländlicheren Gebieten kulturelle Bildung entstehen und gefördert werden?
Soziale Medien können hier Abhilfe schaffen und können als eine Form von Empowerment für marginalisierte Gruppen in der Stadt und auf dem Land dienen.[7] Jedoch sollte sich Kulturpolitik auch die Frage stellen, wie Austausch, Schutz und kulturelle Bildung auf dem Land analog aussehen kann.
Ähnlich wie in der Stadt, ist es auf dem Land ein viel größeres Problem, dass es zu selten einen physischen Raum gibt, wie z.B. Jugendzentren, die einen kulturellen Austausch und Berührungspunkte mit kulturellen Ausdrucksformen ermöglichen können. Jugendliche und Heranwachsende finden nur schwer Freiräume, bei denen sie ihre Kreativität freien Lauf lassen können, Themen ansprechen können, die sie eben nicht in der Schule oder in der Familie ansprechen wollen oder können. Der öffentliche Raum gehört uns allen und den sollten wir lernen uns mehr annehmen zu können. Diese können nur erste Vorschläge und Beispiele sein, wie eine jungsozialistische Kulturpolitik aussehen kann.
Natürlich kann Kulturpolitik nicht die aktuell dringendsten Notwendigkeiten und Krisen überwinden oder bekämpfen. Jedoch sollten wir nicht vergessen, was wir ohne Kultur und ohne die Kulturlandschaft sind. Die Pandemie hat es für jede*n von uns fühlbar gemacht.
Ich kämpfe um eine Kulturpolitik, die demokratischer werden muss. Ich kämpfe für einen öffentlichen, kulturellen Raum, der nicht durch die individuellen finanziellen Mittel begrenzt wird. Eine jungsozialistische Kulturpolitik streitet um einen öffentlichen Raum, der als Kulturraum angesehen wird, an der jede Person teilhaben kann ohne, dass Anwohner*innen, Bürokratie oder kommunale Maßnahmen sich dagegen wehren. Wir müssen wieder lernen, was Kultur für uns bedeutet und was Kultur alles ermöglichen kann.
[1] https://www.dw.com/de/der-blinde-fleck-kunst-in-der-kolonialzeit/a-39950445
[2] https://kolonialismus.blogs.uni-hamburg.de/wp-content/uploads/MUKU_1502_Artikel-05_Zimmerer.pdf
[3] https://www.bpb.de/lernen/kulturelle-bildung/60054/kulturpolitik-und-kulturelle-bildung/
[4] https://www.youtube.com/watch?v=nXC1VYypFec
[5] https://www.freiburg-postkolonial.de/Seiten/Museen-Rueckgabeproblem.htm
[6] https://www.youtube.com/watch?v=nXC1VYypFec
[7] https://www.youtube.com/watch?v=vS_KNLTWVEk&t=4452s