Das Tempolimit – Ein Streitgespräch zwischen Alina Pantzer und Antonio Hertlein
Ein Artikel von unserem Chefredakteur, Marius Kipfmüller (KV Lörrach).
Bei den zwei vergangenen Landesausschüssen ging es immer wieder in den Debatten um die Einführung eines Tempolimits auf den Autobahnen. Dabei wurde dies immer wieder hitzig diskutiert. Allerdings waren die Abstimmungen eindeutig – knapp 95% der Delegierten stimmten entsprechend für ein Tempolimit. Nun haben sich Alina Pantzer (KV Bodensee) und Antonio Hertlein (KV Ravensburg) zu dieser Thematik geäußert.
Bundesweit sind rund 30 % des Autobahnnetzes dauerhaft oder zeitweise geschwindigkeitsbeschränkt, dazu kommen Baustellenbereiche. Das bedeutet knapp 70 % der Strecken auf der Autobahn haben kein Tempolimit bzw. dort gilt die Richtgeschwindigkeit von 130 km/h. (1)
Antonio bewertet diese Situation wie folgt: „Dieses System hat sich in der Vergangenheit in Deutschland bewährt und es gibt aus meiner Sicht keinen Anlass daran etwas zu ändern. Die Geschwindigkeit auf Autobahnen ist ein Bereich, in dem nach wie vor eine sehr große individuelle Freiheit besteht. Diese Freiheit gilt es zu schützen und wir sollten nicht irgendwelche Bereiche regulieren, einfach nur, weil man sie regulieren will. Regulierung darf kein Selbstzweck sein!“
Alina antwortet darauf: „Das mit der Freiheit, die Antonio anspricht, finde ich persönlich absoluten Quatsch. Wahre Freiheit muss in anderen Feldern erreicht werden als auf der Autobahn. Für mich ist es unverständlich, dass man sich als unfreie*n Bürger*in sieht „nur“, weil man nicht schneller als 130 km/h fahren darf. Es gibt genug Gründe, weshalb man diesen Bereich regulieren möchte, das ist keine Entscheidung, die man einfach aus Lust und Laune fällt. Das Tempolimit sorgt, unter anderem, für einen wesentlich geringeren CO2 Ausstoß, was im Moment, mit Blick auf den Klimawandel, wichtig ist, denn hier gilt es so viel wie möglich einzusparen. Dadurch würden wir 1,9 Mio. Tonnen CO2 pro Jahr eingesparen, das ist circa so viel wie das 9€ Ticket eingespart hat.“
Ein kleiner internationaler Vergleich: In Deutschland sind 1,48 Tote pro 1 Mrd. Fahrzeugkilometer auf der Autobahn zu beklagen, in der Schweiz (Tempolimit von 120 km/h) 0,85; in Österreich (Tempolimit von 130 km/h) 1,28; in Tschechien (Tempolimit von 130 km/h) 2,53 und in den USA (Tempolimit von 88 – 136 km/h) 4,19 Tote (1).
Alina findet, dass „das Tempolimit sorgt definitiv für mehr Sicherheit im Straßenverkehr, denn häufig ist die Ursache das Fahren mit zu schneller Geschwindigkeit. Demnach soll ein Tempolimit zu geringeren Tempounterschieden zwischen den Fahrzeugen führen und somit Unfälle vermeiden. Außerdem soll die Verkehrsdichte reduziert und somit Staus vermieden werden und bei gleicher Geschwindigkeit ein einheitlicher Verkehrsfluss entstehen.“
Antonio wiederspricht diesem mit: „Nein, wäre es nicht, da lohnt ein Blick auf die Fakten. Autobahnabschnitte ohne Limit sind nicht unfallanfälliger als Abschnitte mit Limit. Auch im internationalen Vergleich zeigt sich, dass es keinen statistischen Zusammenhang gibt zwischen Tempolimit einerseits und Verkehrssicherheit andererseits. Darüber hinaus können Tempolimits für mehr Frustration und Stress bei den Autofahrern sorgen. Zu dem Ergebnis ist eine Untersuchung im Rahmen des EU-Projekts MASTER gekommen. Dabei haben Versuchspersonen europaweit Autos mit Tempobegrenzern in verschiedenen europäischen Ländern gefahren. Die Begrenzer bremsten das Fahrzeug immer auf die jeweils gesetzlich vorgegebene Höchstgeschwindigkeit ab. Obwohl die Einbremsung im Durchschnitt nur 5 km/h betragen hat, berichteten die Autofahrer von einem spürbar erhöhten Frustrationsgrad, dem Gefühl von Zeitdruck und erhöhter Ungeduld.“ (2)
Laut Antonio ist „die Forderung nach einem Tempolimit ideologisch motivierte Symbolpolitik. Es geht dabei darum, Politik gegen das Auto zu machen – dabei ist Deutschland und insbesondere Baden-Württemberg ein Autoland. Wenn man sich die Fakten anschaut, sieht man, dass ziemlich wenig für ein Tempolimit spricht. Es hat auf das Klima kaum einen messbaren Effekt, der in Zukunft völlig verschwinden wird, wenn wir E-Autos oder Autos mit E-Fuels fahren. Mit einem E-Auto fährt man klimaneutral 280 km/h.“
„Es ist meiner Einschätzung nach keine Politik gegen das Auto! Wir müssen Mobilität neu denken und da gehören ein gut ausgebautes Schienennetz, sowie Autos mit klimafreundlichen Antrieben dazu! Das Tempolimit soll vielmehr alle Möglichkeiten nach mehr Sicherheit und mehr CO2 Einsparung ausschöpfen.“, erwiderte Alina.
Laut einer Studie des Umweltbundesamtes würden mit einem Tempolimit von 120 km/h 6,7 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr eingespart werden (3). An dieser Studie gibt es Kritik, da die Zahlen nach oben korrigiert wurden. Eine Einsparung von CO2 sei mit maximal 1,1 Millionen Tonnen pro Jahr zu erwarten (4).
In diesem Bezug äußert sich Alina so: „um den die Ziele des Pariser Klimaschutzabkommens und dem Ziel des Bundes-Klimaschutzgesetzes für 2030 gerecht zu werden, muss der Verkehr in Deutschland seine Treibhausgasemissionen so schnell wie möglich mindern. Das Tempolimit ist nur eine der vielen Möglichkeiten, die wir haben, um schnell und einfach CO2 einzusparen.“
„Ich glaube wir brauchen Politik mit Maß und Pragmatismus. Mit einem E-Auto fährt man jetzt schon klimaneutral, mit einem Verbrenner, der mit e-Fuels fahren wird, kann man auch klimaneutral so schnell fahren. (…) Klimaschutz muss pragmatisch gemacht werden und nicht ideologisch. Das Tempolimit ist reine Symbolpolitik, die Eigenverantwortung und individuelle Freiheit unverhältnismäßig einschränkt. Jeder soll eigenverantwortlich entscheiden, langsamer zu fahren oder auf öffentliche Verkehrsmittel umzusteigen, um Sprit zu sparen. Dazu braucht es keine Verbote.“, sagt Antonio.
„Dass du sagst, das wäre reine Symbolpolitik, ist interessant, weil indem du sagst, dass es um die individuelle Freiheit gehe und dass es keine Verbote geben soll, ist einfach Symbolpoltik für ein gewisses Klientel. Wenn man so simple Maßnahmen, die erwiesenermaßen zur Lösung eines gesamtgesellschaftlich anerkannten Problems beitragen, mit Verweis auf den Begriff der „Freiheit“, dann ist das meiner Einschätzung nach ein Paradebeispiel für Ideologie.“, reagiert Alina.
Abschließend äußert sich Antonio wie folgt: „Ich bin nicht pauschal gegen Verbote, nur sollten wir mit Maß an die Sache rangehen. Und jeden Lebensbereich bis ins letzte Detail regulieren zu wollen und den Leuten von staatlicher Seite reinzureden ist aus meiner Sicht nicht zielführend.“
Nach einer Umfrage aus dem Jahr 2022 von YouGov stimmen 57 % der Befragten für ein Tempolimit von 130 km/h auf der Autobahn (5).
1: www.adac.de/verkehr/standpunkte-studien/positionen/tempolimit-autobahn-deutschland/
2: www.mobil.org/fakten-freitag-10-gruende-gegen-ein-tempolimit-auf-autobahnen/
3: www.tagesschau.de/wissen/klima/tempolimit-autobahnen-studie-101.html
5: www.zeit.de/politik/2022-04/umfrage-tempolimit-autobahn-lindner-130?utm_referrer=https%3A%2F%2Fwww.google.com%2F