Die Juso-Schule: Was wir nicht vergessen sollten
Ein Beitrag von unserem Redakteur Yannick Zoz (KV Karlsruhe-Land).
Freitagabend im tiefsten Wald. Kein Empfang, geschweige denn Internet. Das Autoradio empfängt überwiegend weißes Rauschen, vereinzelt französisches Stimmengewirr. Mitten im Nirgendwo beginnt ein Wochenende, das zunächst mehr nach dem Beginn eines Horrorfilms klingt als nach einem Seminarwochenende in einer Gegend, in der es nicht viel mehr als Gott gibt; deswegen möglicherweise auch der Name des Ortsteils von Oppenau, in dem vereinzelte Häuser und eine Klosterruine stehen: Allerheiligen.
Schon bei Ankunft in unserer ursprünglichen Unterbringung gibt es das ein oder andere Problem. Sich sammeln, nachdenken, umbuchen und in einer anderen Örtlichkeit Platz finden. Das alles spielt sich im Hintergrund ab, für uns ist nur der Ortswechsel sichtbar.
Zusammen mit zwei Genossen aus meinem Kreis werden wir noch von der Nachhut abgefangen, in eine andere Unterkunft geschickt, die Straße fünf Kilometer weiter und dann irgendwo auf der rechten Seite – nach einer Odyssee stellte sich rechts leider als links heraus, wir kommen ungefähr eine halbe Stunde später als geplant an. Wer mag es uns verdenken? Ohne Handyempfang ist unsere Generation wohl doch aufgeschmissen. Empfangen haben uns zum Teil lange Gesichter, die draußen standen, um etwas frische Luft zu schnappen. Weder wir noch sie wussten aber, was ein wunderschönes und lehrreiches Wochenende uns erwarten wird.
Nach dem Beziehen unserer Zimmer, begannen wir mit einem kurzen Kennenlernen, wobei natürlich wieder „Obstsalat“ gespielt werden musste, wie es Standard ist auf jeder guten Juso-Veranstaltung. Dass wir dieses Spiel mehrmals an diesem Wochenende spielten, lasse ich einmal außen vor.
Nach einem entspannten Ausklang mit sogenanntem „Bachwasser“, das von Antonio Hertlein höchstpersönlich angemischt wurde, etwas Musik und einem Abendessen, endete unser Anreisetag.
Am nächsten Morgen ging es auch schon wieder früh los. Natürlich haben wir alle ausreichend geschlafen und benötigten nicht weniger als vier Tassen Kaffee, um wach zu werden. Zumindest ging es mir persönlich so, andere werden mit mir gefühlt haben.
Bereit für die Arbeit begann diese auch schon. Der erste Workshop hatte begonnen, wir lernten Grundsätzliches über unsere Juso-Strukturen. Was sind unsere beschließenden Organe? Wie viele Mitglieder benötigt es, um eine Gliederung zu gründen? Was macht unser Landesausschusspräsidium?
Daraufhin – wie von einer Jusoschule erwartet – ging es in die Wahlfächer. Martin Wengers Workshop zum Zeitmanagement wurde wohl aufgrund seines Zeitmanagements vertagt. Dafür lerne ich von unseren Landesausschusspräsiden, wie man einen guten Antrag schreibt und was man eher lassen sollte.
Nach der harten Arbeit wurden wir von den Jusos Mannheim bewirtet. Ein großes Lob hier an den Küchenchef, der die Kräuter mit Stiel in die Tomatensoße warf. Oder auch mit anderen Worten von Assad Hussain: „Welche Schmackofatz!“
Gestärkt ging es nun weiter, wieder durften wir wählen zwischen drei großartigen Workshops. Ich selbst wählte es, mich mit meiner mentalen Gesundheit auseinanderzusetzen. Insbesondere sprachen wir darüber, welche Bereiche unseres Lebens, wie viel Zeit einnehmen. Erschreckend ist, dass man selbst häufig auf wichtige Dinge, wie Schlaf, verzichtet, um unwichtigen Dingen mehr Platz einzuräumen. Dazu aber später mehr.
Eine Wanderung durch den Schwarzwald, die nach unseren Workshops „leider“ buchstäblich ins Wasser fiel, wurde durch ein großartiges Rollenspiel ersetzt: eine Art Improtheater der Extraklasse. Thema war eine Gemeinderatssitzung, in Oppenau, in der hitzig um die Gleichberechtigung der Geschlechter gestritten wurde. Bemerkenswert zurückhalten und nur manchmal pöbelnd fiel ein Gemeinderat der AfD auf. Synergien hingegen gab es primär zwischen der SPD-Gemeinderätin und der Gleichstellungsbeauftragten – liebevoll „Sabse“ genannt. Bedauerlicherweise sorgte hier mal wieder die Verwaltung für Unruhe. Der Kämmerer hatte den Rubel zu sehr im Kopf, als in der Hand und wollte nicht mehr Geld für Gleichberechtigung zur Verfügung stellen. Nach viel Gelächter und Empörung sorgte dann jedoch ein ernsteres Thema für den Abschluss der Arbeitsphase: der Consent-Workshop.
Was ist okay und was nicht? Wann heißt „Nein!“ denn vielleicht auch mal „Ja!“? (Spoiler: nie)
Unsere stellvertretende Landesvorsitzende Giuliana Ioannidis führt uns in genau diese Themen ein. In Aufgaben, die manchmal auch etwas Fremdscham mitbrachten, lernten wir aber etwas ganz Wichtiges: Nein zu sagen und Nein als Antwort anzunehmen. Auch wenn „Nein.“ einen ganzen Satz darstellt, haben wir häufig das Problem, es so stehenzulassen oder gar anzunehmen.
Lockerer ging es am Abend noch weiter bei der groß angekündigten Hüttenparty. Stadt, Land, Vollpfosten im Duell Schwaben gegen Baden (wir haben uns auf ein Unentschieden geeinigt, nachdem wir Badener absolut überlegen waren) und die Internationale weit nach Mitternacht in der Küche gesungen, sorgten für eine gelungene Nacht, von der so mancher sich wohl noch Tage lang erholen musste.
Am letzten Tag, dem Tag der Abreise, konnten wir nun doch noch den Workshop von Martin Wenger besuchen. Vom Meister selbst lernten wir, wie wir unsere Zeit einteilen und Aufgaben sortieren können. Nach dem Motto: Wichtiges priorisieren, unwichtiges aus dem Zeitplan werfen.
Doch was bleibt uns von diesem Tag? Diese Frage stelle ich mir schon, seit wir aus Oppenau abgefahren sind. Hierbei kann ich vor allem von mir erzählen.
Zeit ist wertvoll. Das muss man sich manchmal wieder in die Erinnerung rufen und wir haben alle nur begrenzt davon. Andererseits ist es wichtig dabei sich selbst nicht zu vergessen. Viel wertvoller sind ausreichend Schlaf und eine gesunde Psyche. Ohne sie funktioniert das Ehrenamt nicht. Und ebenso wichtig ist es auch Faktoren auszuschließen, die genau dem entgegenstehen. Sendet diesen Faktoren ein eindeutiges „Nein!“ entgegen und setzt euch durch, damit diese es auch akzeptieren.
Funktioniert das immer für alle, in allen Situationen? Nein, definitiv nicht. Aber am Schluss gibt jeder sein Bestes und in diesem Fall ist auch das Beste genug.