Für ein gerechteres Asylsystem: Warum sich der Einsatz in der Refugee Law Clinic lohnt

Veröffentlicht von KONTRA Redaktion am

Mein Ansporn, Jura zu studieren, war immer klar: Ich wollte Menschen helfen, nicht Verträge für Großkonzerne ausarbeiten. Schon im ersten Semester habe ich von der Refugee Law Clinic Tübingen gehört und sofort gewusst: Das ist genau das Richtige für mich. Besonders motiviert hat mich, dass ich einen Migrationshintergrund habe und mitbekommen habe, wie sehr meine Eltern damals mit rechtlichen Hürden kämpfen mussten. Die Person zu sein, die meinen Eltern damals gefehlt hat, treibt mich bis heute an. Ein Artikel von Diana Wertmann (KV Tübingen).

Theorie trifft Praxis

In der Refugee Law Clinic absolvieren Studierende eine einjährige Ausbildung, bei der sie Vorlesungen im Migrationsrecht und Völkerrecht besuchen. Anschließend können sie unter Aufsicht Geflüchtete in migrationsrechtlichen Fragen beraten. Diese Mischung aus Theorie und Praxis ist unschlagbar: Man lernt die rechtlichen Grundlagen – wie zum Beispiel die Voraussetzungen für die Anerkennung der Flüchtlingseigenschaft – und kann das Wissen direkt anwenden, um konkrete Probleme zu lösen.

Einen typischen Tag in der Beratung gibt es nicht. Die Anliegen der Geflüchteten sind so verschieden wie ihre Geschichten: vom Antrag auf eine Reisegenehmigung trotz Residenzpflicht über Hilfe bei einem abgelehnten Asylantrag bis hin zur Unterstützung beim Erlangen der Staatsbürgerschaft. Besonders bewegend war der Moment, als eine Frau aus Georgien nach bestandener Einbürgerung wieder zu uns kam, um mir persönlich zu danken. Solche Augenblicke zeigen, dass unser Einsatz einen echten Unterschied macht.

Ein kaputtes System – und wie wir es verbessern können

Doch neben den Erfolgserlebnissen zeigt diese Arbeit auch, wie kaputt das Asylsystem ist. Besonders eindrücklich war der Fall eines Mannes aus dem Senegal, den ich in der Beratung begleitet habe. Da der Senegal als sicheres Herkunftsland gilt, wurde sein Antrag als „offensichtlich unbegründet“ abgelehnt. Obwohl er von erheblichen Problemen in seinem Heimatland berichtete, erfüllte er die Voraussetzungen für einen Aufenthaltstitel nicht, wir hatten keine rechtliche Möglichkeit ihm zu helfen. Die Nachricht, dass er ausreisen muss, überbrachte zwar ein Anwalt – doch die Hilflosigkeit und Verzweiflung in seinen Augen werde ich nie vergessen. Solche Fälle machen deutlich, wie dringend ein menschlicherer und gerechterer Umgang mit Geflüchteten notwendig ist.

Viele Verfahren ziehen sich endlos hin: Die Bearbeitung eines Asylantrags dauert nicht selten bis zu zwölf Monate. Für die Betroffenen bedeutet das monatelange Unsicherheit und Existenzangst. Diese Verzögerungen könnten durch mehr Personal und bessere digitale Infrastruktur erheblich verkürzt werden.

Ein besonders zynisches Beispiel ist der Vergleich mit anderen Rechtsgebieten: Wer gegen eine falsche Entscheidung im Baurecht vorgehen möchte, hat es oft leichter als jemand, dessen Zukunft und Leben auf dem Spiel stehen. Die Anforderungen für Berufungsverfahren im Asylrecht sind viel höher als in anderen Bereichen, was es umso schwieriger macht, Fehlentscheidungen zu korrigieren. Es ist deshalb dringend notwendig, die Hürden für Berufungsverfahren zu senken, damit Geflüchtete eine echte Chance auf Gerechtigkeit erhalten.

Ein weiteres Hindernis stellt die Residenzpflicht dar. Diese gesetzliche Regelung verpflichtet Geflüchtete, sich in einem bestimmten Landkreis oder einer bestimmten Region aufzuhalten. Um Verwandte oder Freunde außerhalb dieses Bereichs zu besuchen, müssen sie einen Antrag auf eine Reisegenehmigung stellen – ein bürokratischer Aufwand, der oft unnötig Zeit und Energie kostet. Für viele bedeutet die Residenzpflicht eine erhebliche Einschränkung ihrer Bewegungsfreiheit, gerade bei nicht „zwingenden Gründen“, was ein Besuch der Familie nicht unbedingt ist, lehnt die Behörde solch einen Antrag oft ab.

Auf europäischer Ebene zeigt sich das nächste Problem: Länder wie Deutschland profitieren von einem System, das viele Geflüchtete in den Erstankunftsländern der EU, wie Griechenland oder Italien, festhält. Diese Staaten sind oft überlastet, was zu menschenunwürdigen Bedingungen führt. Eine gerechtere Verteilung der Verantwortung innerhalb der EU ist dringend notwendig, um die Belastung fair zu verteilen und die Menschenrechte der Geflüchteten zu wahren.

Auch innerhalb Deutschlands gibt es strukturelle Probleme. Beratungsstellen, die nicht an die Erstaufnahmeeinrichtung gekoppelt sind, sind oft nur in größeren Städten verfügbar. Kommunen sollten verpflichtet werden, flächendeckend solche Angebote bereitzustellen, damit auch in kleineren Gemeinden Geflüchtete Zugang zu juristischer Unterstützung haben. Gerade in ländlichen Regionen fehlt es häufig an solchen Anlaufstellen, was die ohnehin schon schwierige Lage der Geflüchteten weiter verschärft.

Warum sich Engagement lohnt

Trotz aller Herausforderungen ist meine Arbeit in der Refugee Law Clinic unglaublich bereichernd. Ich lerne nicht nur für meinen späteren Beruf, sondern kann bereits jetzt einen Unterschied machen. Das Beste daran ist, dass sich alle Fachrichtungen engagieren können – nicht nur Jura-Studierende. Auch Studierende anderer Fachrichtungen können durch diese Ausbildung viel mitnehmen. Refugee Law Clinics gibt es in Baden-Württemberg in Freiburg, Heidelberg, Konstanz, Mannheim und Tübingen. Vielleicht gibt es auch in deiner Nähe eine Möglichkeit, dich einzubringen – hier kannst du etwas Positives bewirken, wertvolle Erfahrungen sammeln und dabei helfen, ein kaputtes System ein kleines Stück gerechter zu machen. Ein gerechteres Asylsystem ist dringend notwendig – für die Menschen, die ihre Heimat verlassen mussten, und für eine Gesellschaft, die ihre Grundwerte ernst nimmt.

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