Kitastrophe beenden – Personal wertschätzend begegnen

Veröffentlicht von KONTRA Redaktion am

Immer wieder gibt es in den Medien einen Aufschrei, wenn neue Studien zum Personalmangel und zur Überbelastung von Erzieher:innen erscheinen. Immer wieder ist dieser Aufschrei nur von kurzer Dauer. Immer wieder geht es danach weiter wie bisher. Immer wieder passiert nichts.

Erst neulich gab es mal wieder einen medialen Aufschrei als die Wirtschaftsweisin Schnitzer, die Inhaberin des Lehrstuhls für Komparative Wirtschaftsforschung an der Ludwig-Maximilians-Universität München, erklärte, dass Kitas unzuverlässig seien und das gesamte System auf einer Baby-Sitter Mentalität beruhe. Aber hat sie Recht? Steht es wirklich so schlimm, um unsere Kitas? Und gibt es da etwa einen Zusammenhang mit der Wirtschaft und der Arbeitszeit, die geleistet wird?

Kurze Antwort: Ja.

Es ist tatsächlich so, dass Kitas immer häufiger verkürzte Öffnungszeiten anbieten müssen, da schlichtweg das Personal fehlt und die Aufsichtspflicht nicht gewährleistet werden kann. Das trifft dann vor Allem arbeitende Eltern und vorrangig Alleinerziehende. Denn nicht jeder in diesem Land kann sich darauf verlassen, dass die Oma oder der Opa das Enkelkind abholt, wenn die Kita wieder einmal um 14:00 Uhr statt um 16:00 Uhr schließen muss und die aller wenigsten können es sich leisten, dass ein Elternteil zuhause bleibt und die Care-Arbeit übernimmt, alleinerziehende Eltern schon gar nicht. Das führt dann wiederum zwangsläufig dazu, dass Eltern ihre Arbeitszeit reduzieren müssen, um ihr Kind betreuen zu können, was wiederum dazu führt, dass sie weniger Lohn erhalten und der Wirtschaft Arbeitskraft fehlt.

Nach dem Kita-Bericht 2024 des Paritätischen Gesamtverbandes fehlen derzeit 125.000 pädagogische Fachkräfte in den 60.662 Kitas bundesweit. Wagt man einen Blick in die Zukunft ist absehbar, was uns bevorsteht, wenn man bedenkt, dass bis 2030 laut Bertelsmann Stiftung unter Berücksichtigung eines kindgerechten Betreuungsschlüssels ca. 230.000 pädagogische Fachkräfte fehlen werden.

Aber was ist die Lösung? Nun ja, es gibt nicht die eine Lösung, aber die Politik könnte damit anfangen, den Beruf Erzieher:in attraktiver zu gestalten, indem der Lohn steigt und die Aufstiegschancen verbessert würden. Gleichzeitig darf es nicht passieren, dass wir als Gesellschaft ernsthaft darüber diskutieren, ob ein:e Erzieher:in allein auf 60 Kinder aufpassen kann, wenn eine weitere Aushilfe zur Verfügung steht. Statt aus Kitas Aufbewahrungsanstalten zu machen, sollten wir langfristig darüber nachdenken das Kita-System endlich in das Bildungssystem aufzunehmen, denn frühkindliche Bildung legt die Grundsteine für den späteren Bildungserfolg eines Kindes.

Aber auch wir als Gesellschaft müssen uns überlegen mit welcher Wertschätzung wir dieser Berufsgruppe entgegentreten. Oft höre ich Sätze wie „Ach, du machst eine Erzieherausbildung? Den ganzen Tag spielen und Kaffee trinken, das würde ich auch gerne.“. Abgesehen von der mangelnden Wertschätzung, die sich hinter solchen Aussagen verbirgt, verkennen solche Äußerungen auch die Realität. Denn der Beruf Erzieher:in heißt eben nicht den ganzen Tag zu spielen, sondern er bedeutet die Kinder zu fördern, sie zu bilden, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf herzustellen und die Kinder kindgerecht unter Beachtung der UN-Kinderrechtskonvention zu betreuen. Dazu braucht es eine vierjährige Ausbildung in intensiver Auseinandersetzung mit pädagogischen Themen, sowie eine fortwährende Selbstreflexion, die ein hohes Maß an Selbstkompetenz abverlangt.

Wir brauchen also nicht nur ein Umdenken in der Politik, wenn wir den Kollaps des Kita-Systems verhindern wollen, sondern gerade auch ein kollektives Umdenken in der Gesellschaft und Wirtschaft. Denn, wenn das Kita-System kollabiert, wird unsere Wirtschaft mit ihr kollabieren.

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