Jusos Baden-Württemberg sprechen sich gegen den vorliegenden Koalitionsvertrag zwischen CDU/CSDU und SPD aus.
Jusos Baden-Württemberg sprechen sich gegen den vorliegenden Koalitionsvertrag zwischen CDU/CSU und SPD aus.
Mit der Kritik schließt sich der Landesvorstand der Jusos Baden-Württemberg dem Kurs des Juso-Bundesvorstandes an. Nach intensiver Prüfung und ausführlichen Debatten kritisieren sie, dass trotz Teilerfolge in den Verhandlungen, zentrale gesellschafts- und sozialpolitische Fortschritte ausbleiben und wichtige Wahlversprechen nicht eingelöst werden.
„Für uns ist das keine einfache Entscheidung, aber dieser Vertrag ist kein Aufbruch, sondern in vielen Bereichen ein Rückschritt“, erklärt der Juso-Landesvorsitzende Daniel Krusic. „Wir erkennen an, dass die Beteiligten unter schwierigen Bedingungen viel erreicht und auch erheblichen Unsinn von der Union verhindert haben. Trotzdem fehlt dem Vertrag eine klare Vision für ein gerechteres und solidarischeres Land.“
Die einzelnen Fortschritte im Koalitionsvertrag wolle man dennoch anerkennen. So sei beispielsweise die Einführung einer Industriestrompreisbremse ein wichtiges Signal für die Zukunft des Wirtschaftsstandorts Deutschland. Ebenso geht das geplante Bundestariftreuegesetz einen wichtigen Schritt hin zu faireren Arbeitsbedingungen im öffentlichen Auftragswesen. Auch die im Vertrag vorgesehene, wenn auch abgeschwächte, Form einer „WG-Garantie“ werte man als einen Erfolg für junge Menschen auf dem Wohnungsmarkt.
Nichtsdestotrotz finden sich im gesamten Koalitionsvertrag gravierende Rück- als Fortschritte.
Inhaltlich kritisieren die Jusos unter anderem, dass der §218 Strafgesetzbuch nicht gestrichen wird und damit Schwangerschaftsabbrüche weiterhin strafrechtlich geregelt bleiben. „Das ist ein Schlag ins Gesicht für alle, die sich für körperliche Selbstbestimmung einsetzen“, so der Landesvorstand. „Wir müssen die Stigmatisierung beenden und einen Perspektivwechsel schaffen, damit Frauen endlich frei über ihren eigenen Körper entscheiden können.“
Auch arbeitspolitisch sehen die Jusos erhebliche Rückschritte: Die faktische Abschaffung des Acht-Stunden-Tages stelle einen Angriff auf den Arbeitsschutz dar. Eine verbindliche Festlegung auf einen Mindestlohn von 15 Euro fehlt – aufgrund steigender Lebenshaltungskosten kann dies nur als
Affront gegenüber marginalisierten und sozialschwachen Menschen aufgefasst werden.
Außerdem wird kritisiert, dass der Vermittlungsvorrang bei der Arbeitsvermittlung wieder eingeführt werden soll. Dies gehe zulasten individueller Förderung und setze Arbeitslose erneut unter unnötigen Druck. Ebenso lehnt die Parteijugend der SPD Baden-Württembergs die geplante Rückkehr zu Sanktionen gegen Erwerbslose entschieden ab.
Auch migrationspolitisch stoßen die vereinbarten Maßnahmen auf deutliche Ablehnung. Die geplante Möglichkeit, Geflüchtete an der Grenze abzuweisen, sowie das Ende humanitärer Aufnahmeprogramme stünden im klaren Widerspruch zu einem solidarischen und menschenrechtsbasierten Ansatz.
„Uns ist bewusst, dass ein Koalitionsvertrag immer auch Kompromisse bedeutet. Doch die SPD muss sich klar gegen die Verschiebung des Migrationsdiskurses nach rechts positionieren“, so der Landesvorstand. „Begriffe wie „irreguläre Migration“ suggerieren, Migration sei ein Problem – dabei liegt das eigentliche Problem in der gezielten Instrumentalisierung geflüchteter Menschen für rechte Hetze.“ Weiter wird kritisiert, dass es im Koalitionsvertrag an einer Strategie zur Bekämpfung des Rechtsextremismus fehle.
Ein weiterer Kritikpunkt richtet sich an die Rolle der Union, insbesondere an CDU-Chef Friedrich Merz. Die widersprüchlichen öffentlichen Aussagen des designierten Kanzlers wirkten wie taktische Spielchen. Sie seien kein Ausdruck politischer Führung, sondern verstärkten das Misstrauen – sowohl gegenüber der Umsetzung des Koalitionsvertrags als auch gegenüber der Fähigkeit, verloren gegangenes Vertrauen in die demokratischen Parteien zurückzugewinnen.
„Wer Verantwortung übernehmen will, muss verlässlich und glaubwürdig handeln. Beides war in den vergangenen Tagen von Herrn Merz nicht zu erkennen“, heißt es dazu aus dem Landesvorstand.
Der Landesvorstand betont, dass es sich um eine individuelle Entscheidung handelt, ob man als SPD-Mitglied dem Koalitionsvertrag zustimme oder nicht. Man wolle nicht vorschreiben, aber in dieser politischen Situation Orientierung bieten.
Dabei gibt es einen klaren Auftrag: Der Parteivorstand muss sicherstellen, dass die Partei auch bei Ablehnung einen Plan und eine Vision für die kommende Legislatur und Deutschland hat. Die Perspektivlosigkeit der aktuellen Parteiführung darf nicht zur Alternativlosigkeit auf dem Wahlzettel der Basismitglieder führen.
„Gerade in Zeiten multipler Krisen braucht es klare Antworten – dieser Vertrag bleibt sie schuldig“, so Krusic abschließend. Die Jusos Baden-Württemberg bekennen sich weiterhin zu einer progressiven Politik der sozialen Gerechtigkeit, der Gleichstellung und der offenen Gesellschaft.