Trumps Zoll-Chaos kaltes Kalkül?

Veröffentlicht von KONTRA Redaktion am

Warum macht er das?
Eine Frage, die sich vermutlich viele Menschen dieser Tage stellen und eine Frage, die sich mangels Einblick in die Gedankenwelt Trumps nur schwer beantworten lässt. Das wird auch dieser Artikel nur schwer abschließend klären können, aber wir können zumindest ein paar Spekulationen anstellen, was Trump dazu bewogen hat, die Welt in die 3. Weltwirtschaftskrise des ersten Quartals des 21. Jh. zu stürzen.
Aufschlüsseln kann man seine Beweggründe in diverse Felder und je nachdem, für wie intelligent man ihn und sein Umfeld hält, tun sich noch mehr Dimensionen auf. Ein Artikel von Julius Keller (KV Ostalb).


Nun, zunächst muss man wissen, dass Trump bereits seit langer Zeit hinter Zöllen als Mittel zur Durchsetzung von wirtschaftlichen und politischen Interessen steht. Hier wird häufiger eine von ihm geschaltete Anzeige von 1987 zur damaligen Wirtschafts- und Außenpolitik zitiert, in welcher er sich über Nationen wie Saudi-Arabien oder Japan echauffiert, welche laut ihm nur die Vorzüge des Alliierentums mit den USA auskosten würden, aber nichts selbst mit an den Tisch bringen würden. Und er forderte eine Bezollung der Güter aus den Ländern, die er für Schmarotzer hielt, um sie zu mehr Zugeständnissen oder Eigenständigkeit zu bewegen.


Von dieser Information ausgehend kann man zumindest sagen: Trump weiß nicht, wie Allianzen funktionieren! Diese sind üblicherweise ein Geben und Nehmen – eine Allianz, in der nur eine Partei profitiert, ist keine Allianz, genau wie der viel gepriesene Rohstoffdeal kein Deal, sondern ein Zwangsabkommen ist. Profitiert nur eine Partei in einer Allianz, ist es keine!


Eine andere Hypothese zu den Zöllen dreht sich nicht um seine Vergangenheit, sondern um die Stärkung der eigenen industriellen Basis als „heimliche“ Vorbereitung auf einen Krieg mit China, von welchem man ja schlecht abhängig sein kann, wenn man mit ihm kämpft. Denn die Firma, die in China im Kriegsfall Stahl für die USA produziert, muss erst noch gebaut werden – das wäre wahrlich selbstmörderisch. In Washington bereitet man sich auf diesen Ernstfall bereits lange vor, der 2. Kalte Krieg hat längst begonnen. Und man möchte nicht von ausländischen Importen abhängig sein, selbst bei Alliierten. Man hat die Befürchtung, dass wirtschaftlicher Druck aus Peking die Länder dazu bewegen könnte, die Lieferungen kriegswichtiger Güter oder Dual-Use-Güter in die USA einzuschränken. Oder aber Washington befürchtet Verbündete, die durch eine US-Blockade – z. B. der Straße von Malakka, ein wichtiges Nadelöhr auf dem Weg von Asien nach Europa – massivst wirtschaftlich geschädigt würden, könnten für den Krieg notwendige Exporte in die USA zurückhalten, um dem Krieg ein schnelleres Ende zu setzen und so ihre eigene Wirtschaft zu retten versuchen. Ein weiterer Vorteil im Kriegsfall wäre es, dass sich durch das Kriegsrecht die heimische Wirtschaft deutlich leichter steuern lässt als Firmen, die in anderen Ländern sitzen und die Gewinnmargen sogar noch erhöhen könnten. All diese Eventualitäten machen der Regierung um Trump Angst, und durch eine starke heimische Wirtschaft und insbesondere einen starken sekundären Sektor möchte man in einem Krieg mit China die Nase vorne haben.
Eine weitere These zu den Zöllen dürfte Trumps Wählern im „Rust Belt“ der USA gefallen – nämlich, dass er seinen Hang zum sekundären Sektor auslebt. Er liebt die alten Industrien des 19. Jahrhunderts, also die Schwerindustrie und die fossilen Energieträger – also Eisenwerke und Ölförderung. Auch sein Wahlkampfslogan „Drill Baby Drill“ schlägt genau in diese Kerbe. Er kommt noch aus einer Zeit, in der weniger der GDP eines Landes dessen Prestige trug, sondern eher die Produktionskapazitäten des sekundären Sektors – also die rohen Zahlen der Stahl-, Kohle- und Ölproduktion. Und diese Sichtweise hat er nie abgelegt. Er ist nie wirklich in der Moderne angekommen, in welcher Forschung und Innovation das Brot der reichen Industrienationen sind und kein stupides Massenproduzieren von simplen Ausgangsprodukten. Seine Kampagne gegen die Wissenschaft in den USA macht das noch einmal sehr deutlich: Alles, was er nicht versteht oder in dem er keinen Nutzen sieht, kann weg – denn was er nicht versteht, kann ja nicht so wichtig sein. Diese Art des Wirtschaftens wird die USA nicht vernichten – Stichwort „too big to fail“ – aber sie wird den USA herbe wirtschaftliche Einbußen beibringen und insbesondere den Wählern Trumps schwer schaden, da sie eher in stark konjunkturabhängigen Berufen arbeiten und in solchen, die stark von Importen aus dem Ausland abhängig sind. Die von Trump, für sein Klientel, versprochenen Preissenkungen durch die lokale Produktion werden sich auch nicht oder nur sehr spärlich materialisieren. Denn wenn ein Produkt aus den USA gerade so wettbewerbsfähig mit einem bezollten ausländischen Produkt ist, dann ist das immer noch teurer als das ausländische Produkt vor den Strafzöllen. Denn es ist schon etwas wahnwitzig, zu erwarten, dass amerikanische Produzenten mit amerikanischen Löhnen mit Billiglohnländern wie Bangladesch mithalten können. Außer Trump möchte ähnliche Zustände, was Lebensstandard und Arbeitsrecht angeht, in den USA einführen – dann wäre ein Konkurrieren sicher möglich. Ob das aber die Bevölkerung freiwillig so mitmacht, bleibt aber fraglich.
Das „Golden Age of America“ wird wohl noch auf sich warten lassen oder nur die Reichsten der Reichen betreffen, die von Arbeitsschutzregeln wie in Bangladesch sicher profitieren würden.


Passend dazu kommt eine weitere Dimension der Trump-Tarife, welche im Laufe der Entstehung dieses Artikels hinzugekommen ist: Der Verdacht, dass Teile der nebulösen Zollpolitik Trumps nichts mit den bisher angeführten Punkten zu tun haben, sondern dass es um schlichte und einfache Marktmanipulation für Insidertrading geht. Befeuert werden diese Gerüchte von einem Tweet Trumps, in welchem er zum Kaufen von Aktien aufruft: „THIS IS A GREAT TIME TO BUY!!! DJT“, schrieb er auf seiner Plattform Truth Social. Kurze Zeit später kündigte er eine Pausierung der Zölle auf alle Länder außer China an. Die Märkte sprangen daraufhin um die ganze Welt herum um bis zu 9 % (Nikkei Japan). Jeder seiner reichen Freunde, der seinen Rat befolgt hat, wurde – je nach Investitionsmenge – auf einen Schlag um Millionen, vielleicht sogar eine Milliarde reicher, einfach nur dank eines Tweets. Konsequenzen wird dieses An-die-Wand-Fahren der Weltwirtschaft, um Insidertrading zu ermöglichen, vermutlich nicht haben. Trump wurde bereits zweimal erfolglos impeached. Wegen einer solchen Kleinigkeit – zumindest im Vergleich zu seinen anderen Vergehen – wird dieses Impeachment wohl kaum über die Konzeptphase kommen. Und von der Justiz bleibt wenig zu erwarten, denn einerseits wird ein Richter, der seinen Job behalten möchte, den Teufel tun und Trump verfolgen, geschweige denn verurteilen. Und andererseits ist der Präsident immun gegen jegliche Form der Rechtsprechung, daher sind Konsequenzen für sein Verhalten kaum zu erwarten.
In der Conclusio dieses Artikels kann man sagen, dass wie erwartet ohne Einblick in Trumps Gedankenwelt eine abschließende Klärung kaum möglich ist. Dennoch ist klar, dass es eine Mischung der verschiedenen Gründe für das Kalkül der Zölle sein dürfte – einerseits die Zufriedenstellung des eigenen Klientels, dem dieser Wahnsinn als Erfolg zur Sicherung amerikanischer Arbeitsplätze verkauft wird. Andererseits gibt es Menschen in Trumps Umfeld, die sich in einem Konflikt mit China um die Kriegstüchtigkeit der US-Wirtschaft sorgen und mehr Schwerindustrie wieder im eigenen Land wissen möchten. Und der Oligarchenteil seines Umfelds hat vermutlich mit Insider Trading Hunderte Millionen verdient. Somit sind mit den Zöllen alle glücklich!


Also außer alle Ökonomen und der gesamte Rest der Welt – aber das war Trump ja schon immer egal, er kennt keine Partner, sondern nur Untergebene, die es bestmöglich auszubeuten gilt.
Daher: Stay strong and buy European.

Kategorien: KONTRA