Deutschland muss sich zu Taiwan bekennen
Während medial aktuell der russische Krieg in der Ukraine alles dominiert, bahnte sich noch kurz davor im dräuenden Großkonflikt zwischen der Volksrepublik China (Rotchina) und den Vereinigten Staaten von Amerika (USA) eine weitere Eskalationsstufe an. Im Zentrum steht dabei die kleine Inselrepublik Taiwan. Die deutsche Außenpolitik – aus Rücksichtnahme gegenüber Rotchina – hält sich hierbei bis heute zurück. Diese Einstellung ist dem universellen Ansatz von Freiheit und Demokratie, der die deutsche Außenpolitik leiten sollte, nicht würdig und ist zu ändern.
Zu Beginn ein kurzer geschichtlicher Abriss. Rotchina und Taiwan standen sich als von Kapitalismus und Kommunismus geteilte Staaten gleich Deutschland und Korea seit den 50er Jahren gegenüber. Diese Teilung war das Ergebnis des chinesischen Bürgerkrieges. Dieser wurde nach dem Zweiten Weltkrieg von Mao Tse-Dong und seiner Kommunistischen Partei gewonnen, der Führer der Nationalisten, Cheng-Kai Sheck, flüchtete mit Hunderttausenden Getreuen auf die Insel Formosa, die dem Festland vorgelagert ist. Für die Volksrepublik war eine Invasion per Landungsoperation (gleich dem D-Day in der Normandie) nicht darstellbar, so dass sich auf Formosa ein zweiter chinesischer Staat entwickelte. Tschang-Kai Scheck regierte das Land viele Jahre lang diktatorisch. Gleich Japan und Südkorea ist es einer der Verbündeten der USA in der Region, wenn auch keine Beistandsverpflichtungen bestehen.
Nach dem Tode Cheng-Kai Shecks und dem Ende des Kalten Krieges gab die regierende Partei Kuoming-Tang die alleinige Macht ab und Taiwan entwickelte sich zu einer vollwertigen Demokratie mit einem Zweiparteiensystem. Im Freedom House Index kommt es auf 94 von 100 Punkten, so vielen wie die Bundesrepublik. Rotchina dagegen, dass 1989 seine demokratischen Kundgebungen brutal niederschlug und im Jahr 2020 die Demokratiebewegung in Hong Kong unterdrückte, steht heute bei 9 von 100 Punkten. Taiwan existiert offiziell als Staat nicht. Rotchina erachtet es als Teil seines Territoriums und setzt diese Sicht der Dinge international durch. Weltweit erkennen nur 14 Länder Taiwan an.
Dies hängt mit der strikten rotchinesischen Linie zu diesem Thema zusammen. Rotchina gibt vor, dass wer diplomatische Beziehungen zu Taiwan unterhält, keine diplomatischen Beziehungen mehr zu Rotchina unterhalten kann. Jeder Staat hat sich also zu entscheiden. Zwischen der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt mit 1,3 Milliarden Einwohnern oder einer Demokratie mit 23 Mio. Einwohnern. Die allermeisten Länder wählen unter diesen Umständen den Giganten auf dem Festland. Diese diplomatische Herangehensweise ist dabei nicht neu. Die Bundesrepublik vertrat zu Beginn ihrer Existenz die gleiche Einstellung gegenüber der DDR, damals bekannt als Hallstein-Doktrin.
Der Unterschied zwischen beiden Fällen ist, dass die BRD durch die Hallstein-Doktrin erpressbar wurde. So konnte die BRD jahrelang keine diplomatischen Beziehungen zum jüdischen Staat Israel aufnehmen, weil die arabischen Staaten im Gegenzug mit einer Anerkennung der DDR drohten. Erst mit der Entspannungspolitik unter Willy Brandt wurde die Hallstein-Doktrin faktisch beendet.
Heute hindert die Ein-China-Politik die gesamte westliche Welt daran, zu Taiwan – um hier nur ein Beispiel zu nennen – dem wichtigsten Halbleiter-Produzenten der Welt, echte diplomatische Beziehungen zu unterhalten. Bei den olympischen Spielen muss das Land als „China Taipeh“ antreten und in internationalen Gremien ist es nicht vertreten.
Deutschland und die Europäische Union sind aufgefordert, sich dem entgegenzustellen. Dies muss durch eine schrittweise Anerkennung von Taiwan als unabhängigem Staat geschehen. Diese Realität ist anzuerkennen, auch im Angesicht der rotchinesischen Drohungen um Vergeltung. Dabei sollte dem legitimen chinesischen Interesse um eine Einheit der chinesischen Nation Rechnung getragen werden. Die deutsche Geschichte kann hierfür als Vorbild dienen. Die BRD sollte Taiwan unter der Bedingung anerkennen, dass diese so lange aufrechterhalten wird, bis es zu einer Wiedervereinigung in Frieden und Freiheit kommt. Denn eine Wiedervereinigung ist anzustreben, allerdings nicht unter der Dominanz der rotchinesischen Diktatur. Dass diese nicht zu Kompromissen bereit ist, erkennt man zuletzt erst wieder am Umgang mit Hong Kong, wo das Motto „Ein Land, zwei Systeme“ inzwischen faktisch aufgekündigt wurde.
Dieser Weg der Anerkennung kann von der BRD nicht alleine gegangen werden. Hierfür ist eine europäische Initiative notwendig. Dies zeigt aktuell das Beispiel Litauen. In dem baltischen Land hat Taiwan vor kurzem eine „Repräsentation“ unter dem Namen Taiwan, nicht Taipeh oder ähnlichem, eröffnet. Nun verweigert Rotchina litauischen Waren entgegen den Regeln der WTO die Einfuhr. Inzwischen auch anderen europäischen Waren, in denen Teile aus litauischer Fertigung verbaut sind. Man sieht, die Eskalationsspirale setzt sich in Gang, um Litauen in die Knie zu zwingen, auf dass es die Entscheidung revidiere.
Auch für die Bundesrepublik kann dieser Schritt wirtschaftliche Konsequenzen nach sich ziehen. Der Wert von Rotchina für deutsche Firmen und deutsche Arbeitsplätze kann gar nicht überschätzt werden. Aber es besteht keine einseitige Form der Abhängigkeit, bei chinesische Verbrauchern und Unternehmen existiert eine reale Nachfrage nach Waren aus der BRD. In dem Moment, in dem aus einem solchen Schritt eine gesamteuropäische Initiative wird, vielleicht sogar gemeinsam mit den USA, entwickelt es sich für Rotchina zu einer volkswirtschaftlich kaum zu unterschätzenden Herausforderung, die Strafmaßnahmen aufrechtzuerhalten. Spätestens an dem Punkt, an dem Europa handelspolitische Vergeltungsmaßnahmen in Gang setzt. Weitergehende Maßnahmen zum Schutz der taiwanesischen Demokratie wie Sicherheitspartnerschaften wären wünschenswert, bezüglich solcher Initiativen ist jedoch die geographische Lage sachlich einzuschätzen. Es geht bei diesen Schritten weder um Säbelrasseln noch um eine Konfrontationspolitik gegenüber Rotchina aus vasallischer Bündnistreue gegenüber den USA. Es geht darum klarzumachen, dass es rote Linien gibt, wenn es um die Verteidigung von Demokratie auf der Welt geht. Und dass Europa nicht willens ist, sich von Rotchina vorschreiben zu lassen, was erlaubt ist und was nicht. Denn es ist nicht zu vergessen, dass Rotchina internationale Regeln in den letzten Jahren immer stärker in Frage stellt, etwa bei den Grenzstreitigkeiten im südchinesischen Meer. Dafür ist möglicherweise für eine begrenzte Zeit ein Preis zu zahlen. Diesbezüglich sei an folgende Losung erinnert: „Wer in schlechten Zeiten nicht zu seinen Prinzipien steht, der hat keine Prinzipien, höchstens gute Vorsätze.“
Ein Gastbeitrag von Torsten Liebig (KV Ludwigsburg)